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Rapperswil-Jona hindernisfrei
Zur Überprüfung baulicher Schwachstellen im öffentlichen Raum bezüglich Behindertengerechtigkeit wurde folgende Projektgruppe gebildet:
Richard Hanselmann, Projektleiter, Bauverwaltung
Robert Isler, Projektmitarbeiter
Sandra Stöckli-Hager, Rollstuhlfahrerin
Andreas Brändli, Rollstuhlfahrer
Als Unterstützung wurden auch Fachleute von der Procap St. Gallen-Appenzell und vom Schweizerischen Blindenbund beigezogen. Kontakte mit behinderten Menschen waren für diese Arbeit wichtig und hilfreich. Als Grundlage dienten die einschlägigen eidgenössischen und kantonalen Gesetze, die SIA-Norm 500 „Hindernisfreie Bauten“ sowie weitere Richtlinien.
Umsetzung
Erste Phase
Die erste Phase beschränkte sich auf eine Zustandsaufnahme der öffentlichen Strassen, Wege und Plätze sowie öffentlichen Einrichtungen wie WC-Anlagen und Parkplätze. Rapperswil-Jona konnte über weites Gebiet als behindertengerecht eingestuft werden, auch wenn Defizite noch vorhanden sind.
Im Winter 2009/2010 wurde mit den Feldaufnahmen begonnen, um herauszufinden, was für seh- und gehbehinderte Menschen erreichbar ist und unter welche Umständen. Die Ergebnisse wurden einzeln qualifiziert und, wo möglich, entsprechende Massnahmen eingeleitet.
Schwachstellen sind z.B. die Bahnlinien. Sie erschweren die Verbindung in Nord-Süd-Richtung und das Maximalgefälle von 6% für Rollstuhlfahrende kann oftmals nicht eingehalten werden. Zu steile und lange Rampen wie auch Treppen erschweren oder verunmöglichen die Zugänglichkeit.
Die Altstadt ist ein begehrtes Ausflugsziel. Für Rollstuhlfahrer und auch für deren Begleiter wird das Befahren des teils groben Kopfsteinpflasters mit oftmals auch Quergefälle zum unangenehmen Ausflug.
Bei bedeutenden Strassenübergängen mit Fussgängerstreifen waren die Trottoirs noch nicht überall abgesenkt. Bei einzelnen wichtigen Strassenübergängen von Kantons- und Gemeindestrassen fehlten zudem noch Blindensignalgeber an Ampelanlagen sowie die taktil-visuelle Zuführung für Blinde und Sehbehinderte.
Die Projektarbeit beschränkte sich auf die Überprüfung von Schwachstellen für gehbehinderte, sehschwache und blinde Menschen. Die Bestandesaufnahmen waren zeitintensiv. Zum einen müssen verschiedene Interessen, Taktilität für Blinde und Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrende aufeinander abgestimmt werden. Gehbehinderte, Rollatorfahrende und Familien mit Kinderwagen meiden Absätze. Jedoch sind solche Niveaudifferenzen wichtige Erkennungshilfen für sehschwache und blinde Menschen. Oft fehlen für sie taktile Hinweise, die ein sicheres Bewegen gewährleisten. Die gemeinsame Führung von Rad- und Gehwegen und vorstehende Reklameeinrichtungen auf öffentlichem Grund sind Konfliktstellen, die nur schwer zu überwinden sind. Laut Statistik 2009 sind in der Schweiz ca. 550‘000 Personen (8%) hörbehindert, 350‘000 (5%) gehbehindert, ca. 70‘000 stark sehbehindert oder blind, ca. 70‘000 gehörlos (1%) und 35’000 - 40‘000 (0,5%) Rollstuhlfahrer.
Durch die Sanierung und Erneuerung der Werkleitungen und Neuerstellung der Pflästerung am Herrenberg wurde eine behindertengerechte Strassenoberfläche von 1.20 m Breite in der Mitte der Strasse ausgeführt. Die spezielle Ausführung der Pflästerung ist für Rollstuhlfahrende wie auch für Begleitpersonen eine grosse Erleichterung. Die unterschiedliche Belagsart ist für sehbehinderte und blinde Menschen gut ertastbar und bietet eine bessere Orientierungshilfe. Über das ganze Altstadtgebiet wurde ein rollstuhlgängiges Wegnetz ausgearbeitet.
Wichtige Verbindungen mit teils steilen und langen „holprigen“Wegstrecken wie z.B. Fischmarktplatz-Hauptplatz könnten auf diese Art verbessert und angenehmer gestaltet werden. Im Budget 2013 sind für Anpassungen von Strassen/Plätzen (Rahmenkredit) ab 2015 erste Umsetzungsmassnahmen vorgesehen.
Wichtige Strassenübergänge werden bei Strassensanierungen überprüft und, wo nötig, angepasst. Unabhängig von Sanierungsmassnahmen wurden Trottoirs bei Strassenübergängen von stark begangenen Wegverbindungen nachträglich abgesenkt (11 Absenkungen).
In Zusammenarbeit mit dem kantonalen Tiefbauamt wurden alle bestehenden Geräte bei Lichtsignalanlagen ausgewechselt und zusätzliche montiert. Die neue Drückergeneration hat auch für Sehende eine Komfortverbesserung erfahren. Neu reagiert der Drücker auf Berührung, das Drücken ist nicht mehr notwendig. Taktile Bodenmarkierungen für das Auffinden wichtiger Strassenübergänge im Gebiet Rapperswil-Jona wurden in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Blindenbund angebracht.
Der Holzsteg wurde von vielen Rollstuhlfahrenden (Selbstfahrer wie auch mit Begleitpersonen) gemieden, nachdem die teils breiten Spalten zwischen den einzelnen Holzlatten eine Gefahrenstelle darstellten und ein „Einsinken“ mit den Rädern bewirkten.
Durch ein aufwendiges Verfahren und das Anbringen von x-tausend kleinen Holzkeilen konnte der Holzsteg wieder weitgehend rollstuhlgängig gemacht werden.
Im Stadtgebiet sind auf öffentlichem Grund 13 neue Rollstuhlparkplätze erstellt worden. In diesem Zusammenhang wurden auch Parkgaragen untersucht. Mit der vorgesehenen Sanierung des Parkhauses See ist auch eine barrierefreie Zahlstelle vorgesehen. Total stehen nun 70 normgerechte Rollstuhlparkplätze zur Verfügung.
Elf öffentliche behindertengerechte WC-Anlagen sind auf dem Stadtgebiet Rapperswil-Jona vorhanden. Inzwischen sind alle sanitären Anlagen behindertengerecht möbliert und zugänglich gemacht worden.
Zweite Phase
In einer zweiten Phase wurden sämtliche öffentlich zugänglichen Bauten und Anlagen, die einem beliebigen Personenkreis offen stehen (z.B. Waren- und Geschäftshäuser, Kinos, Cafés, Hotels, Restaurants, Banken, Post), überprüft. Die Abklärungen beschränkten sich auf die Zugänglichkeit zum Gebäude, Benutzbarkeit der Räumlichkeiten sowie auf die Rollstuhlgängigkeit der Anlagen wie WC, Lifte und Parkplätze.
Über 90% der angeschriebenen Liegenschafteneigentümer haben sich für eine behindertengerechte Überprüfung ihres Gebäudes gemeldet. Das Interesse war überraschend gross und auch mit entsprechendem Aufwand verbunden. Das Ergebnis der Bestandesaufnahme wurde den Eigentümern mitgeteilt. Aufgrund der Erhebung durch die Projektgruppe im Sommer/Herbst 2010 sind Anpassungen und Verbesserungen an Liegenschaften individuell vorgenommen worden.
Dritte Phase
Ortsplan hindernisfrei
Der Ortsplan hindernisfrei wurde in Zusammenarbeit mit der GEOINFO AG in Herisau erarbeitet. Im Ortsplan sind aktuell 220 Eintragungen vorgenommen worden, wertvolle Hinweise und Informationen stehen zur Verfügung. Der Aufbau des Ortsplans erfolgte im Sinne der Machbarkeit und Zugänglichkeit mit Hinweisen, Beschrieben und Fotos. Mutationen können jederzeit und sofort durch die Bauverwaltung Rapperswil-Jona vorgenommen werden. Der Plan entspricht somit dem neuesten Stand.